Impulse zum Umgang mit Krisen

zum Jahresbeginn wünsche ich Ihnen alles Gute in der jüngst recht krisengebeutelten Zeit. Deswegen habe ich mich entschlossen, ein paar Denkanstöße zur Krisenbewältigung zu geben, so dass die erste PX-Mitteilung 2014 einigermaßen unjuristisch, wenngleich noch im juristischen bzw. INFINUS-/FuBus-Kontext ausfällt. Herr Gandor nannte diese Mitteilung spontan „Hirtenbrief“. Es hat etwas davon, nicht aber etwa, weil es despektierlich gemeint wäre, sondern weil es heuer um Fragen der Überzeugung geht, d.h. um Selbsteinschätzungen der Finanzdienstleister und sicher auch so mancher PHALANX-Partner. Ziel ist stets ein erfolgreicheres Arbeiten.

I. Glauben Sie, ein Informationsüberfluss hilft in einer Krise?

Seien wir ehrlich: „Networking“ ist ein zentraler Aspekt der Finanzdienstleistung; Sie können schnell mit Kunden kommunizieren, sich untereinander austauschen, recherchieren, Google-Alerts nutzen, sich selbst darstellen. Unsere Smartphones, Tablett-Rechner oder sonstigen tragbaren Einheiten begleiten uns überall hin, ins Auto, die Bahn, an den Esstisch, auf die Toilette, in das Bett.

Und so herrscht eine Informationsflut, die zeitliche und gedankliche Ressourcen bindet, Ihre eigenen und die derjenigen, mit denen Sie Ihre Informationen teilen.

Beispiel 1: Eine Kanzlei aus Berlin veröffentlicht online die Information, dass „Anleger viel schneller und vor allem in voller Höhe zu ihrem Geld kommen“ könnten, indem sie „ihre Rechte umgehend gegen die Beschuldigten mittels einer Arrestpfändung sichern lassen“. Wie ein  Lauffeuer verbreitet sich die Nachricht unter den Networkern, kreuz und quer, doppelt und dreifach. Danach telefoniert man, tauscht Erfahrungen aus, vergleicht Strategien anderer Involvierter. Man überlegt, ob damit die eigenen Kunden beruhigt werden können, was dies für einen Aufwand bedeutet, was wohl der positive Nutzen für den Finanzdienstleister selbst wäre,was das alles kostet und wer dafür aufkommen sollte. Dann werden noch Anwälte konsultiert, parallel, ob das alles so stimme oder Sinn mache, danach werden die Informationen verglichen, wieder im Netzwerk geteilt, diskutiert.

Ich kann das daran ablesen, dass mich binnen kürzester Zeit sechs verschiedene Anfragen erreichten (teilweise mit einem CC-/Weiterleitungs-Machwerk von bis zu sieben E-Mail-Seiten), die alle dieselbe Ausgangsinformation zum Gegenstand hatten. Ich muss also sechsmal antworten. Dann werden diese antworten weitergeleitet und weiter diskutiert, mit anderen geteilt und abgeglichen. Später bekomme ich von einem anderen Networker meine eigene Antwort, eingebettet in eine beachtliche E-Mail-Kette, vorgelegt mit der Frage, was ich von den Informationen „siehe unten“ halte. Kurz: Herr Blazek, was halten Sie von Ihrer eigenen, längst gegebenen Antwort?

In solchen Momenten fällt mir zunächst der treffende Jargon meiner Kinder ein: „Hallo? Geht’s noch?“. In einer etwas konstruktiveren Ebene fällt mir auf, dass im Verlauf des Networkings eine entscheidende Frage unterging, nämliche die sachliche Kernfrage: Trifft die Ausgangsinformation überhaupt zu? (vgl. hierzu die aktuellen Ausführungen von Herrn Brambrink). Interessanterweise liegt das nicht daran, dass die Antwort nicht bereits gegeben wurde, sondern es liegt vornehmlich an der Eigenheit der Finanzdienstleistungsbranche, sich ständig und akut zu vernetzen, Informationen zu teilen, über eine Sache zu kommunizieren, und zwar mehr, als sie zielführend und straff zu bewältigen oder gar daraus einen direkten eigenen Vorteil abzuleiten. Und dann fällt mir ein Vorhalt meiner Frau ein, den sie mir häufiger macht: „Ich brauche keine Erklärungen, sondern Lösungen.“ Tja, und das bringt mich zur nächsten Glaubensfrage.

II. Glauben Sie, die Überbeschäftigung mit einer Krise ersetzt den sachlichen Erfolg?

Nicht nur die Finanzdienstleister, auch ich als Rechtsanwalt bin ein erfolgsorientierter Mensch, wenn – gleich die Tätigkeit als Finanzdienstleister noch etwas erfolgsabhängiger ist. Und so wissen wir, dass der Erfolg einiges an Zeit, Kosten, Konzentration und Kompetenz erfordert, bevor man eine „Heraus-forderung meistert“, wie es wohl im Duktus Positiv-Motivation heißt.

Es gibt aber auch Krisen, an deren Ursachen und Eintritt man nichts mehr ändern kann und für die man – vielleicht bis auf mangelnde Weitsicht in bestimmten Einzelfällen – nicht verantwortlich ist. Während das normale Leben weiter geht, wird die Krise durch die Art und Weise der Beschäftigung mit ihr raumgreifend und der Anteil der Eigenverantwortung am mangelnden Fortkommen steigt.

Beispiel 2: Am 5. November 2013 findet die Future Business-/INFINUS-Razzia statt. Im Netzwerk (siehe oben) wird berichtet, vermutet, diskutiert. Man fängt im ersten Schritt die besorgten Anleger ab, schreibt jeden einzelnen an oder wartet defensiv ab, wer sich eigentlich rührt. Parallel werden Fragen gestellt an Kollegen, Vertriebsleitung, Produktgeber. Veranstaltungen mit Rechtsanwälten werden organisiert, deren verschiedene Ergebnisse verglichen werden. Einige übernehmen sogar auf eigene Kosten Mandatierungen zugunsten der Anleger, um irgendetwas für diese zu tun. Um die Weihnachtszeit herum wird taktiert, ob nun bestimmte Informationen den Kunden zugemutet werden können oder nicht. Zwischenzeitlich treffen die ersten Anwaltsschreiben ein, die verwaltet und beantwortet werden müssen. Immer wieder tauchen Gerüchte auf (wer nun wann angeblich aus der Untersuchungshaft entlassen wird, wie viele hunderte Millionen Euro nur darauf warten sollen, an die Anleger verteilt zu werden). Provisionszahlungen bleiben aus, mehr noch, Rückforderungen werden geltend gemacht. Essentielle Fragen an das FDI bleiben unbeantwortet, Buchauszüge werden nicht erteilt. Erste rechtliche Verkantungen werden deutlich. Das Pro-INFINUS-Lager sorgt für positive Gerüchte, die im Lager der Skeptiker für Gegengerüchte sorgen. Fakten kennt eigentlich niemand. Staatsanwaltschaftliche Ermittlungen aus Österreich Sorgen für Aufruhr; jeder hat eine Meinung dazu und überprüft seine Verhältnisse, obwohl nur wenige direkt betroffen sind. Und wieder melden sich Anleger mit ihren Fragen, die sich Finanzdienstleister selbst allzu sehr anziehen. Neue Internetmeldungen tauchen auf, die Wirtschaftspresse berichtet. Die Kommunikationslawine beginnt erneut. Die Finanzdienstleister sehen sich nach neuen Partnern um, besuchen Veranstaltungen anderer Institute oder Produktgeber und treffen dort zum Teil auf dieselben Leitungspersonen. Sie vergleichen alt mit neu, Fragen zur den Produkten, Bedingungen, Absicherung entstehen. Über allem schweben die Altlasten.

Bei alledem haben sich die wesentlichen Parameter der Krise durch die ausgeweitete Beschäftigung mit ihr nicht verändert. Es steht immer noch nicht fest, welcher Inhaftierte wofür genau verantwortlich ist, die Produktgesellschaften sind immer noch insolvent, die Insolvenzverwalter tun immer noch ihre Arbeit, niemand weiß, wie viel Vermögen genau beschlagnahmt wurde und wem es eigentlich zusteht.

Die gebundenen Vermittler schweben noch immer in der Gefahr, selbst in Anspruch genommen zu werden, was sich bereits in einigen Fällen konkretisiert. Fragen Sie sich selbst: Wieviel Zeit und Energie verwenden Sie auf die Beschäftigung mit der Krise und was hat es Ihnen bislang gebracht? Rechtfertigt der relativ statische Krisenzustand eine fortwährende Beschäftigung mit ihr auf gleichbleibendem oder gar steigendem Level? Wollen Sie sich nicht vielleicht etwas dynamischer halten und die Krisenbewältigung anderen Profis überlassen?

III. Wo, glauben Sie, sollte Ihr Fokus aktuell liegen?

Auf der einen Seite bewegen Sie wichtige Fragen und herrschen Networking, der übersteigerte Informationsfluss und die Überbeschäftigung mit der Krise. Auf der anderen Seite können Sie sich vielleicht noch an solche Zeiten erinnern, in denen Ihnen die richtige Motivation zum Erfolg verhalf.

Beispiel 3: In einem Video eines Motivations-Trainers (oder Choaches) führt dieser den Finanzdienstleistern ein eindrucksvolles Beispiel vor Augen, nämlich den bestbezahlten Sportler aller Zeiten, Michael Jordan. Von ihm ist der Spruch zu seinem Trainer überliefert: „Lassen Sie mich erst hier aus der Sporthalle, wenn ich ein Stück besser geworden bin.“ Der Trainer witzelt, so sei vielleicht das Home Office entstanden, leitet dann aber ernsthafter ab, dass man jeden Tag alles daran setzen sollte, sich selbst zu verbessern. Dann wird man vielleicht in Richtung des bestbezahlten, stets trainierenden Basketballers aller Zeiten wandern.

Auch das unterliegt zugegebenermaßen wohl dem Wandel. Denn im Hier und Jetzt der Krise (also neben der Sporthalle) fordert das Finanzamt Nachzahlungen und Vorauszahlungen, müssen Kredite bezahlt, Mieten geleistet, die Familie versorgt und nicht zuletzt das Selbst beachtet werden. Im Hier und Jetzt bricht der Umsatz ein, zweifeln Kunden, ist die Informationslage dürftig, werden Sie bald verklagt und vom INFINUS-FDI im Regen stehen gelassen, haben Sie keine Versicherung für direkt gegen Sie gerichtete Anspruche und versuchen, die Krise zu überleben. Die Krise ist nicht nur eine „Chance“ oder „Herausforderung“ – sie ist, gestehen Sie es sich ruhig ein, nach S&K und den rechtlichen Umwälzungen am Kapitalmarkt eine waschechte, handfeste, persönlich angehende Krise.

Aber eine, die Sie überwältigen können, wenn Sie sich anstrengen, Ihre Energie nicht verpufft, sondern Sie sich konzentrieren und keine Ehrenrunden drehen. Fragen Sie sich, ob Sie aktuell die wesentlichen Aspekte in den Fokus nehmen. Welche sind denn derzeit Ihre dringendsten Probleme, und widmen Sie sich diesen angemessen im Verhältnis zum Rest? Haben Sie dabei Erfolg und verbessern Ihre Lage?

IV. Glauben Sie, man nutzt Ihre Krise aus?

Beispiel 4: Ein Mandant (Finanzdienstleister) wurde am Telefon von einem FuBus-Anleger (sein Kunde) erpresserisch mit Gewalt durch einen bestimmten Motorrad-Club bedroht und aufgefordert, sich beim Anwalt des Klägers einzufinden und dort auszupacken. Er fragte mich, ob er dort hingehen solle.

Beispiel 5: Mandanten teilen mir seit Beginn der FuBus-/INFINUS-Krise mit, dass Produktgeber und Vertriebsorganisationen vermehrt an sie herantreten und zum Beispiel Kapitalanlagen ohne Protokolle und freiwillige Prospekte, teils ausländische Produkte außerhalb des Geltungsbereichs des KWG (vermeintlich) oder die Tätigkeit für ein Konkurrenz-Institut anpreisen, welches weder sonderlich transparent ist, noch klüger entwickelte Produkte vorweist (aber schonmal Geschäftspartnerverträge verteilt).

Beispiel 6: Ein Anlegeranwalt aus Süddeutschland stellt einen Vermittler am Telefon vor die Wahl, ihm (dem Anwalt) entweder sämtliche FuBus-Kunden zuzuführen oder aber vor Gericht auf der Gegenseite zu sitzen.

Auch das Beispiel 1 passt hierzu gut (die Kanzlei auf Mandantenfang). Machen Sie sich bewusst, dass bis auf die Anleger fast jeder, mit dem Sie es zu tun haben, aus Ihrer bzw. der Krise der FuBus-Gruppe profitieren will, andere Produktgeber, Vertriebsorganisationen, Anlegeranwälte, Versicherer, Ihre eigenen Anwälte. Die entscheidende Frage dabei ist, handelt es sich dabei jeweils um ein ausgewogenes Miteinander oder werde ich ausgenutzt? In Ihrer derzeitigen Situation sind Sie teilweise notleidend. Die Rechtslage um die Anlagegesellschaften ist unklar, manche Anleger nehmen Sie in Anspruch, das FDI und die Versicherung lassen Sie allein, Ihre Kollegen und manche Anlegeranwälte verunsichern Sie und Sie müssen Ihren eigenen Verpflichtungen nachkommen. Wer Ihnen in dieser Situation etwas anbietet, was im Risiko vielmehr zu Ihren Lasten geht als zu seinen, sollte Sie das hellhörig werden lassen.

V. Was ich glaube

Möglicherweise können Ihnen meine Überzeugungen ein paar Anhaltspunkte liefern, wenn Sie die obigen Fragen weiter beleuchten möchten.

1. Die Krise ist als solche zu erkennen und ernst zu nehmen.

2. Allzu viele Akteure wollen von dieser Krise profitieren. Anlegeranwälte wollen Anleger, Vertriebe wollen Mitarbeiter, Produktgeber wollen Vertriebe und Absatz.

3. Wer bestehen und vielleicht sogar gestärkt aus der Krise gehen will, benötigt ein effizientes Krisenmanagement. Die Zeit des blauäugigen Umsatz-Optimismus‘ ist längst vorbei. Hierbei helfen Profis. Ein gebrochenes Hüftgelenk behandelt man ja auch nicht selbst, obwohl man weiß, wo es weh tut.

4. Partner muss man sich gut aussuchen, und die Not ist generell kein guter Ratgeber. Gute Partner bestechen durch nachgewiesene Kompetenz, nicht durch künftige Möglichkeiten, sondern in der Vergangenheit bewiesene Erfahrung.

5. Ohne dass Geben und Nehmen bzw. die Risikoverteilung ausgewogen sind, kommt eine Partnerschaft nicht in Frage. Das gilt auch immer für Ihr Gegenüber (Ihren Partner); er will auch nicht das Gefühl haben, dass Sie über Gebühr von ihm profitieren.

6. Sich auf wesentliche Informationen und Tatsachen zu konzentrieren, spart Zeit und Energie. Meinungen und wage Gerüchte sind keine stichhaltigen Informationen.

7. Es macht keinen Sinn, sich von Kollegen oder Ratgebern verrückt machen zu lassen, wenn die Kommunikation nicht präzise ist und nicht auf stichhaltigen Tatsachen beruht. Man fährt ja auch nicht blind in einen Tunnel, der möglicherweise gerade ist oder möglicherweise sehr kurvig, nur weil die Meinungen geteilt sind.

8. Öffnen Sie sich einer möglichen künftigen Krise und seien Sie vorbereitet. Es gibt Strukturen, die Ihnen dabei helfen. Hierzu möchte ich zweimal den chinesischen Strategen Sunzi (um 500 vor Christus, Die Kunst des Krieges) zitieren:

„Die größte Verwundbarkeit ist die Unwissenheit.“

„Die Ersten, die auf dem Schlachtfeld eintreffen, erwarten den Gegner mit Ruhe. Die Letzten, die eintreffen und sogleich in die Schlacht geführt werden, sind bereits erschöpft.“