Gut für Verbraucher

Viele Lebensmittel verheißen eine Extraportion Gesundheit. Ob die Werbeversprechen wissenschaftlich haltbar sind, hat die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) überprüft. Von über 4.000 Werbeaussagen wurden bislang lediglich 222 als wissenschaftlich belegbar eingestuft.

Viele Lebensmittel verheißen eine Extraportion Gesundheit. Ob die Werbeversprechen wissenschaftlich haltbar sind, hat die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) überprüft. Die 10.000 von den Herstellern eingereichten „Health Claims“ konnten wegen inhaltlicher Übereinstimmung zunächst um fast 6.000 reduziert werden. Von den verbleibenden mehr als 4.000 Werbeversprechen hat die EFSA rund 1.600 abgelehnt. Nach einer Übergangsfrist von sechs Monaten müssen sie seit 14. Dezember 2012 von den Verpackungen und aus der Werbung verschwunden sein. Lediglich 222 Aussagen wurden bislang als wissenschaftlich belegbar eingestuft. Die übrigen mehr als 2.000 Werbebotschaften, die sich alle auf Pflanzenstoffe beziehen, müssen noch geprüft werden.

Health Claims – gesundheitsbezogene Versprechen

Wohl nur wenige können von sich behaupten, immer gesund und abwechslungsreich zu essen. Da kommen Lebensmittel, die für einen angeblichen Ausgleich sorgen, wie gerufen. 2006 hat die EU beschlossen, dem Wildwuchs an nicht beweisbaren Aussagen mit gesundheitlichem Bezug ein Ende zu setzen; die Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 trat in Kraft. Die EFSA wurde beauftragt, die Werbeversprechen zu überprüfen. Aufgrund der großen Anzahl von Anträgen hat es fünf Jahre gedauert, bis die EU jetzt eine Liste mit 222 erlaubten gesundheitsbezogenen Aussagen veröffentlicht hat.

Erlaubte gesundheitsbezogene Aussagen

Zugelassen hat die Behörde überwiegend Werbung für Vitamine und Mineralstoffe. Hersteller, die bestimmte Mengen zusetzen, dürfen zum Beispiel damit werben, dass Vitamin C das Immunsystem stärkt oder Calcium wichtig für die Knochen ist. Das gilt für alle Arten von Lebensmitteln, also auch für Nahrungsergänzungsmittel.

Auch auf die positive Wirkung von Ballaststoffen aus Roggen für die Verdauung dürfen die Hersteller hinweisen. Gesagt werden darf ebenso, dass der Zusatz bestimmter Fettsäuren sich auf den Blutfettspiegel auswirkt und dass sie die normale Sehkraft und die Gehirnfunktion unterstützen. Ebenfalls erlaubt ist die Aussage, dass Phytosterine den Cholesterinspiegel senken und Wasser die Körpertemperatur reguliert.

Verbotene gesundheitsbezogene Aussagen

Für viele eingereichte Aussagen konnte kein Nachweis erbracht werden. Demnächst sind beispielsweise folgende Aussagen verboten:

  • Glucosamin für gesunde Knochen und Gelenke
  • Cranberry zur Förderung der Blasengesundheit
  • Probiotische Joghurts wirken positiv auf das Immunsystem

Wie die Hersteller mit den Claims umgehen

Hersteller bedienen sich der langen Liste an erlaubten Aussagen anders als ursprünglich gedacht: Jeder kann im Prinzip seine Produkte mit „stärkt das Immunsystem“ „schützt die Zellen“ oder „hilft der Verdauung“ bewerben – er muss nur die richtigen Vitamine, Mineralstoffe oder sonstige in der Liste erwähnte Substanzen einsetzen. Andere Hersteller nutzen die Positivliste als Alibifunktion. Produkte mit einem abgelehnten Claim werden nun zusätzlich mit Stoffen versetzt, für die die gewünschte Werbeaussage gestattet ist. So wird ein probiotischer Joghurt, der als solcher nicht mehr mit dem Lockruf „Stärkung des Immunsystems“ angepriesen werden darf, kurzerhand mit Vitamin C aufgepeppt und darf es wieder.

Manche Werbung wird aber auch eingemottet; so verschwindet allmählich der Slogan „die Extraportion Milch“ für eine Kinder-Schokolade. Vermehrt setzen Hersteller nun auf eine emotionale Ansprache und stellen etwa „Die schönste Zeit unseres Lebens“ in Aussicht. Andere Produkte stärken nicht mehr, sondern stehen jetzt für einen „starken Start in den Tag“.

Was die Claims für Verbraucher bedeuten

Die meisten der anerkannten EFSA-Auslobungen beziehen sich auf Nährstoffe, mit denen die Bevölkerung in der Regel hinreichend versorgt ist. Durch die Claims werden Verbraucher unnötig verunsichert – eigentlich nicht das, was die EU mit ihrer Verordnung erreichen wollte. Ein Beispiel dafür sind die Pflanzensterine, die den Cholesterinspiegel senken. Obwohl derartige Lebensmittel nur Personen mit erhöhten Cholesterinwerten zu sich nehmen sollen, werden sie regelmäßig von jedermann verzehrt – selbst von Vorschulkindern.

Von Verbrauchern gut angenommene Produkte wie probiotische Joghurts dürfen nicht mehr mit der Wirkung auf das Immunsystem angepriesen werden. Auch wenn noch etliche solcher Versprechen rund um die Milchprodukte in einem Nachprüfverfahren der EFSA stehen, wird diese Werbung zunächst einmal verschwinden. Aber der derzeitige Hinweis auf „Milliarden lebende“ Bakterienkulturen wird wohl noch einige Zeit dieselbe Werbewirkung haben wie der nun verbotene Spruch. Schließlich wurde jahrelang damit geworben, dass es die „besonderen“ Kulturen seien, die die Abwehrkräfte stärken würden.

Fast jeder zweite Deutsche kauft oder verwendet mehrmals im Monat Nahrungsmittel, die einen wirklichem oder angeblichen gesundheitlichen Zusatznutzen haben. Zwei Drittel sind bereit, dafür auch mehr zu zahlen. Ob Verbraucher die nun zugelassenen Claims richtig verstehen und wie sich die Werbebotschaften und Aufdrucke auf den Verpackungen auf die Ernährungsweise auswirken, muss von der EU-Kommission untersucht werden – so sieht es die Verordnung vor.

Drohende Überversorgung

Fest steht, dass derartige Lebensmittel für eine gesunde Ernährung unnötig sind. Im Gegenteil: Wer ständig zu angereicherten Produkten greift, der riskiert damit unter Umständen eine Überversorgung mit bestimmten Stoffen. Dies ist keineswegs so unproblematisch, wie allgemein angenommen wird. Es mehren sich die Hinweise, dass künstliche Vitamine eher schaden als nützen, wie zum Beispiel bei überhöhter Zufuhr von künstlicher Folsäure.

Hersteller verschweigen häufig den tatsächlichen Gehalt an zugesetzten Stoffen. Damit die Produkte auch nach Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums noch die entsprechende Menge an Vitaminen enthalten, wird oft mehr zugesetzt, als auf der Verpackung angegeben wird. Besonders bei Säften, von denen oft mehr als ein Glas am Tag getrunken wird, wird schnell die sichere Obergrenze für die Zufuhr überschritten.

Forderungen der Verbraucherzentrale

Zwar wurde mit der jetzigen Positivliste dem Wildwuchs an unbewiesenen Aussagen Einhalt geboten, doch vieles ist noch ungeregelt. Es gibt beispielsweise auch weiterhin keine Höchstmengen für Vitamine und Mineralstoffe in Lebensmitteln. Verbraucher sind jedoch damit überfordert, selbst einzuschätzen, ob das eigene Essverhalten bereits zu einer Überversorgung führt oder nicht. Auch fehlt ein schlüssiges Konzept, um zu bewerten, wie mit vielen verschiedenen Stoffen angereicherte Lebensmittel wirken und wie Verbraucher vor eventuellen negativen Folgen dieser Nährstoffcocktails geschützt werden können.

Und selbst das Wichtigste steht noch aus: die Festlegung der sogenannten Nährwertprofile. Die Health Claims-Verordnung sieht vor, dass ernährungsphysiologisch ungünstige Lebensmittel nicht mit dem positiven Image „Gesundheit“ werben dürfen. Die Nährwertprofile sollen Höchstwerte für Zucker, Fett und Salz festlegen. Werden diese überschritten, soll auch keine gesundheitsbezogene Werbung auf der Verpackung stehen. Doch unter dem Einfluss der Lebensmittelindustrie ruht die Diskussion seit Jahren. So können Hersteller derzeit auch Fett- und Zucker“bomben“ mit Vitaminen und Co. anreichern und ihnen deshalb einen gesunden Anstrich verpassen. Deshalb fordert die Verbraucherzentrale,

  • dass endlich Nährwertprofile festgelegt werden , die bereits seit mehr als drei Jahren ausstehen. Ohne Nährwertprofile bieten die gesundheitsbezogenen Angaben keine sinnvolle Verbraucherinformation,
  • dass Höchstmengen für die Anreicherung mit Mikronährstoffen festgelegt werden.

Quelle:VBZ RP